PLANUNGSWERKSTATT CHERUSKERWEG 1. PHASE
Architekturbüro KNERER und LANG in Kooperation mit PFELDER


Lärm ist ein negativ besetzter Begriff. Lärmschutzbebauungen sind Versuche dieses unangenehme Phänomen zu lindern. Die Wohnhäuser des Cheruskerweges liegen direkt hinter der Lärmschutzwand an der vielbefahrenen A 66 bei Frankfurt am Main.

Um eine positive Lesart zu erreichen, wird die begrifflich eher negative Aufladung und somit auch die Wahrnehmung der Anwohner gewandelt. Die Lärmschutzwand wird zur angenehmen Geräuschkulisse komponiert aus Lieblingsgeräuschen.

 

KLANG

 

Die Bewohner des Cheruskerweges bekommen die Möglichkeit, die Neugestaltung selbst mitzubestimmen. Sie nennen ihre Lieblingsgeräusche, die dann an den Balkonbrüstungen mit Steckbuchstaben installiert werden. Das persönliche Lieblingsgeräusch am eigenen Balkon.
Da eine große ethnische Durchmischung der Anwohner festzustellen ist, werden die Geräuschswörter in den jeweiligen Muttersprachen visualisiert. So wird eine größtmögliche Integration mit hohem Identifikationswert erreicht. Internationalität wird signalisiert und als etwas Gutes verstanden.
Das Steckbuchstabensystem ermöglicht unkomplizierte Änderungen bei Mieterwechsel und somit Lieblingsgeräuschwechsel.
Nach und nach entsteht in selbstverantwortlicher Eigendynamik, die Beteiligung ist natürlich freiwillig, eine sich wandelnde „visuelle Geräuschkulisse“ aus als schön und angenehm empfundenen Klängen.

 

FARBEN

 

Die Betonbrüstungen werden saniert und in den als besonders positiv wahrgenommenen Farben Grün- und Orangetönen in leuchtender Qualität gestrichen.
Die Farbe scheint durch die vorgeblendeten metallenen Lochbleche und bildet so die farbige Grundierung für die Buchstaben der Lieblingsgeräusche. Die Farben in ihren Abwandlungen sind blockweise Hauseingängen zugeordnet. Eine Orientierung und Wiedererkennbarkeit des eigenen Eingangs wird für die Anwohner erleichtert.

 

NACHT

 

Nachts blendet die Dunkelheit die Geräuschkulisse aus. In den Schlitzen der Balkonbrüstungen aus Beton schalten sich nun integrierte Lichtsysteme ein. Die Fassade beginnt mit 286 stand by Lichtern zu leuchten und befindet sich sozusagen im Bereitschaftsmodus. Die Lichtsysteme speisen sich aus selbstaufladenden Solarzellen.

 

STILLE

 

In einer leerstehenden Erdgeschoßwohnung wird im Balkonbereich ein komplett schallisolierter Raum mit Panoramafenster zur Straße eingerichtet. Er ist für jeden zugänglich und ermöglicht das Erlebnis der vollständigen Stille. Gleichzeitig gibt es hier auch eine „Hörbar“ mit Einspielungen sämtlicher Lieblingsgeräusche.

 

ARCHIV

 

In einem anderen leerstehenden Erdgeschoßraum wird das Archiv der Steckbuchstaben installiert. Vorgefertigte Buchstaben des gesamten Alphabets werden hier von außen gut sichtbar gelagert. Bei fortschreitender Erweiterung der „Geräuschkulisse“ kann man hier die langsame Abnahme des Archivs mitverfolgen.

  • Jahr

    2004

  • Ort

    Cheruskerweg, Frankfurt/Main